Die historische Klausing-Orgel

Bild der historischen Klausing-Orgel in Kloster Oelinghausen

Die Klosterkirche des 1174 von Sigenandus von Batthusen und seiner Frau Hathewigis gestifteten Prämonstratenserklosters zu Oelinghausen erhielt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts weitgehend seine heutige Gestalt und galt als eines der vornehmsten und reichsten Klöster in Westfalen. Anhand des bisher bekannten Urkundenmaterials lässt sich mit einiger Sicherheit behaupten, dass es 1390 bereits eine Orgel in Oelinghausen gab. Weitere Urkunden aus dem 15. Jahrhundert lassen vermuten, dass sich der Standort dieser Orgel auf der Westempore befand. An der Südwand des dritten Joches des Kirchenschiffes lässt sich anhand der erhaltenen Gewölbemalereien sowie eindeutiger archäologischer Funde an der Außenseite der Wand aber auch das Vorhandensein einer Schwalbennestorgel belegen, die wahrscheinlich 1499 neu errichtet wurde. Es ist denkbar, dass diese Orgel das erste Instrument nach über 100 Jahren ablöste. Nähere Angaben zu den spätmittelalterlichen Orgeln liegen bisher nicht vor. Im Zusammenhang mit den sogenannten "Truchsessischen Wirren" fiel das Kloster Oelinghausen am 2. Februar 1586 einem Raubzug von Reitertruppen zum Opfer, in dessen Verlauf die Orgeln der Klosterkirche zerstört wurden. Es muss sich damals um zwei Instrumente gehandelt haben, die laut einer Urkunde vom 12. Juli 1599 auf Veranlassung des Bischofs von Paderborn, Dietrich von Fürstenberg, durch zwei neue Orgeln ersetzt wurden. Vermutlich handelte es sich um eine größere einmanualige Orgel mit angehängtem Pedal und ein separates Positiv. Es gibt Hinweise darauf, dass der bekannte Brabanter Orgelbauer Marten de Mare (* um 1540 vermutlich in Groningen; † 1612 in Bremen) diesen Orgelneubau durchgeführt haben könnte, wobei er nicht zerstörtes Material der Vorgängerinstrumente verwendete.

Am 19. April 1714 schloss der damalige Propst von Oelinghausen Theodor Sauter mit dem aus Herford stammenden Orgelbauer Johann Berenhard Klausing einen Vertrag über den Neubau einer zweimanualigen Orgel unter Verwendung einiger Register „auß der Alten in besagter Kirchen obhandener Orgell“ und ebenso aus dem „alten Positiefe“. Es handelt sich dabei um die Instrumente von 1599. Folgende Register sollten übernommen werden: Praestant 8´, Octav 4´, Portun 16´, Mixtur 4tönig 2´, Trompet 8´, Flöte 2´ für das „Oberwerck“ (Hauptwerk) sowie Holtflöte 4´, Octav 2´ und Mixtur 3tönig 1´ für das „Unterwerck oder Brustpositiefe“. Zum Oberwerk sollten „zugesetzet werden folgende Neue stimmen“: Sequialtera 3tönig 2´, Hollpfeiff 8´, Flöte Duse 4´ und Cornettin 3tönig 1 ½´. Zum Unterwerk oder Brustpositiv „Gantz Neue register sollen dabey gesetzet werden folgende“: Gedackt 8´und Regal 8´ „von Holtz“. (Zitate aus dem Vertrag vom 19.4.1714)

Das Gehäuse der Orgel entstand ebenfalls komplett in der Zeit von 1714 bis 1717. Die barocken Schnitzereien stammen, wie auch die Bildhauerarbeiten am Hochaltar der Klosterkirche und die seitlich an den Wänden platzierten Apostel- und Heiligenfiguren, von Wilhelm Spliethoven (1675-1720), während die „Illumination“, also die farbliche Fassung und Vergoldung, von Alexander La Ruell angefertigt wurde. Die Klosterkirche zu Oelinghausen besitzt heute die einzige erhaltene Arbeit dieses Meisters, der in vielen Kirchen - besonders in Münster - und Schlössern nachzuweisen ist! Mit dem Hochaltar im Osten und der Orgelanlage mit den Treppenaufgängen und der Emporenbrüstung im Westen entstand so eine ausgewogene Einheit. Am Johannesaltar der sogenannten „Nonnenempore“ auf der Rückseite der Orgel befinden sich Tafelgemälde, die als Teile ehemaliger Flügeltüren der großen Orgel von 1599 angesehen werden. Sie stammen möglicherweise von dem Paderborner Künstler Augustinus Jodefeld.

Verschiedene Umbaumaßnahmen an der Orgel, besonders 1867 durch Anton und Adolf Fischer aus Herdecke,  1959-1963 durch Franz Breil aus Dorsten und 1985-89 durch Hans Peter Mebold und Wilfried Michel, seien erwähnt, doch müssen diese hier nicht näher besprochen werden, da sie im Wesentlichen bei der letzten Restaurierung 1999-2002 durch Firma Kuhn (Männedorf, Schweiz) rückgängig gemacht wurden. Lediglich bei den Zungenstimmen, die durch Mebold nach Vorbild einer erhaltenen Orgel Christian Klausings, eines Bruders Johann Berenhard Klausings, in Ochtersum rekonstruiert worden waren, wurden von Kuhn die Köpfe, Kehlen, Krücken und Zungenblätter weiterverwendet. Während der Restaurierung der Orgel 1959-1963 durch Franz Breil wurden zwei Registerstaffeleien entdeckt, die eine gegenüber dem Vertrag zwischen Sauter und Klausing leicht abweichende Disposition verrät. Leider gibt es keine Aufzeichnungen über die Orgel in Oelinghausen zwischen 1717 und 1804, so dass momentan nicht geklärt werden kann, ob diese Veränderungen noch von Klausing selbst oder zu einem späteren Zeitpunkt eventuell von einem unbekannten Orgelbauer durchgeführt wurden. Folgende Änderungen ergeben sich: Die Hauptwerkstrompete wurde in Bass und Diskant geteilt, bei dem Cornettin und den Flötenstimmen wurde jeweils lediglich der Name geändert, das Pfeifenwerk blieb unverändert. Im Brustwerk allerdings wurde das Regal 8´ durch eine Octav 4´ ersetzt, was dem damaligen Klangideal entsprach. Diese Disposition diente bei der Restaurierung 1999-2002 durch die Orgelbaufirma Kuhn als wiederherzustellendes Ziel, wobei ein selbständiges Pedalwerk mit vier Registern nach historischem Vorbild hinzugefügt wurde.

 

Disposition der Klausing-Orgel 1714 / 2002

Fazit: Das Besondere an der Orgel in Oelinghausen ist, dass mit Ausnahme des Pedals, neben Resten der gotischen Vorgängerorgeln der überwiegende Großteil des vorhandenen Pfeifenmaterials seit 1599 beziehungsweise 1717 unverändert erhalten geblieben ist. Der Registerbestand von 1599 ist insofern bemerkenswert, als er in dieser Vollständigkeit in Deutschland und dem benachbarten Ausland kaum anzutreffen ist.

Seit 2015 ist die Oelinghauser Orgel in das Netzwerk "Orgelroute Westfalen" aufgenommen.

Peter Volbracht